Gestohlene Identität by Inger Gammelgaard Madsen

Gestohlene Identität by Inger Gammelgaard Madsen

Autor:Inger Gammelgaard Madsen
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2017-10-15T00:00:00+00:00


28

Ein grelles, weißes Licht traf seinen Kopf wie ein heftiger Schmerz und blendete ihn total. Schnell schloss er wieder die Augen, aber das Licht schien durch die Lider zu dringen und der weiße Fleck vor seiner Hornhaut verschwand nicht. Die Nasenlöcher blähten sich und fingen einen Ekel erregenden Geruch nach Desinfektionsmitteln und Blut auf; er versuchte seine Spucke zu schlucken, aber etwas, das den Hals ausfüllte, hinderte ihn daran. Er konnte sich nicht bewegen und wollte laut schreien, als er einen wahnsinnig starken Schmerz spürte, von dem er nicht definieren konnte, woher er kam.

'Er ist wach!'

Die Stimme klang, als ob sie aus einem Tunnel weit, weit weg käme. Eine Maske wurde über seine Nase und seinen Mund gedrückt. Er glitt wieder in eine schmerzfreie, weiße Welt.

Die Stimme, die er nun hört, kennt er. Sie klingt verzweifelt.

'Dannevang! Dannevang! Geh weg. Geh da weeeeeeeg!'

Er sieht jetzt auch ihn, den Jungen mit den blonden Locken. Er steht oben auf dem Abhang.

'Nein, komm hier runter! Traust du dich das, Daniel?', ruft er ihm zu. Er balanciert auf den Zugschienen.

'Dahinten kommt der Zug, ich kann die Lichter sehen. Geh da weg!', schreit Daniel mit noch gellenderer Stimme.

'Nein, komm hier runter', ruft er wieder. Er ist so voller Energie, dass er nicht weiß, wie er sie entladen soll. Josh hatte ihn heute wieder verhauen, aber er hatte ihn direkt in die Eier getreten, sodass er auf die Knie gesunken war. Dann war er schnell aus dem Haus geflüchtet, und Daniel war ihm wie immer gefolgt. Es ist das erste Mal, dass es ihm gelungen ist, seinen neun Jahre älteren Bruder unschädlich zu machen, und das macht ihn ganz high und euphorisch.

Jetzt spürt er, wie der Zug die Schienen unter seinen Füßen erzittern lässt und das Adrenalin steigt. Mama hatte ihm Hausarrest gegeben, weil er bei den Gleisen gespielt hat, die dicht an ihrem Haus direkt unten an der Böschung lagen, und er hatte versprochen, es nie wieder zu tun, aber auf den Rausch kann er nicht verzichten, und es wird nicht weniger davon, dass sein kleiner Bruder heute bewundernd zusieht. Daniel ist verstummt und ihm steht der Mund fast offen, als er auf den Schienen stehen bleibt und fest auf die drei leuchtenden Augen des Zuges schaut, die sich mit hohem Tempo nähern.

'Jetzt spring runter, Dannevang!' Daniels Stimme ist vor Panik schrill, er hat sich ein bisschen näher herangewagt, aber dennoch erstickt das Geräusch des Zuges die Stimme beinahe.

'Geh ein bisschen zurück', ruft er ihm in seinem wahnsinnigen Rausch zu. Er beginnt, den Sog des Zuges zu fühlen, erst dann wirft er sich zu Boden und hält sich die Ohren zu, als die Räder dicht an ihm vorbei dröhnen. Er hält sich weiter die Ohren zu, bis diese lange silberne Schlange ganz an ihm vorbei ist, sieht die roten Rücklichter verschwinden und hört das verspätete aggressive Tuten der Lok. Es klingt wie ein wütender Elefant; dann grinst er.

'Hör mal, der Lokführer grüßt mich', sagt er und kullert mit Daniel auf den Boden.



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